Aber hier! Es ist einfach, nämlich 15 Minuten mit dem Auto zum "Royal Cape Yacht Club", und "Gut" allemal, denn Kapstadt gilt als ziemlich windig, und das Kap der guten Hoffnung ist auch nicht grade langweilig und anspruchslos zum Segeln...
Zufällig erfahre ich in der ersten Woche, dass Willie (mein Chef) gern segelt. Die Woche drauf am Donnerstag erwähnt er, dass am Samstag Regatta ist. "If you like, be at Keith's boat at 1 p.m." Wow! Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen, kaufe am Samstag früh noch Segelhandschuhe (brauche ich eh, denn meine alten sind in Berlin verschütt gegangen), und bin pünktlich um eins am Boot. (Keith, der mich noch gar nicht kennt, hat mich dank Willie auf die Gästeliste gesetzt.)
Das Boot ist eine 33-Fuß Slup, 25 Jahre alt, ist irgendwie gesponsert, der de-facto-Eigner scheint aber Keith zu sein: Er hat irgendwas mit Informatik und der UCT (University of Cape Town) zu tun, nicht mehr der Jüngste (siehe Bilder unten), und er ist definitiv ziemlich segelbegeistert: Auf die Frage, wie oft er den Atlantik schon überquert hat, kann er nur mit einer Schätzung antworten.
Das Wetter ist sonnig, ca. 20 Grad oder ein bißchen mehr, der Wind ist allerdings nicht so furchtbar sportlich, also eher etwas zurückhaltend. Ich bin trotzdem aufgeregt, muss ja immerhin auch gleich mitmachen, und die ganzen Segelbegriffe wie "Schot" oder "Halse" kann ich ja getrost vergessen, jetzt muss ich mit den entsprechenden englischen zurechtkommen.
Insgesamt sind wir zu acht auf dem Boot, eigentlich mehr als nötig. Ist aber spannend, die ganzen Anderen ein bißchen kennenzulernen; altersmäßig ist es gemischt, ich bin wohl knapp der Jüngste, drei sind wohl zwischen 35 und 40, der Rest ist 55 bis 60 (schätze ich vorsichtig). Auch von der Herkunft her ist es gemischt, Willie und Gerald und David sind weiße Südafrikaner, Keith ist irgendwie britisch (glaube ich), Jeff ist Kanadier, und Dave ist Franzose.
Der Ton an Bord ist sehr entspannt, es gibt viele Scherze (von denen ich 70% nicht verstehe), David und Keith sind definitiv die erfahrensten, David beeindruckt mich sehr mit seinen Fähigkeiten am Ruder, Keith ist eher der Taktiker. Alle zum Segeln und zur Regatta gehörenden Abläufe haben die beiden wohl schon hundertmal praktiziert. Das sorgt z.B. dafür, dass wir beim Start aus einer guten Position heraus als eines der ersten Boote die Startlinie passieren! (Ich kann da natürlich nix dafür, Keith hat die Taktik erläutert, David am Ruder ausgeführt, und die verbleibenden 12 Hände haben, teils selbständig, teils auf Kommando, die entsprechenden Falle ("halyard") und Schoten ("sheet") unter Kontrolle.)
25 bis 30 Yachten sind gestartet, und zu Beginn schauen wir noch auf einige zurück:
Später überholen uns einige, teils natürlich, weil sie besser segeln, aber auch, weil einige der Boote deutlich mehr Länge und somit eine höhere Endgeschwindigkeit haben.
Insgesamt ist es ein gemütliches, sonniges Segeln, mit Blick auf Hafen und Stadt. Kuckt man in die anderen Himmelsrichtungen, kommt lange nichts: Richtung Süden ist das nächste Festland die Antarktis, Richtung Westen und West-Nord-West könnte man bis Buenos Aires bzw. Rio de Janeiro schauen, wäre die Erde eine Scheibe.
... das war am 21. Juli. Am folgenden Samstag ist aber auch Regatta, und Keith hat mich eingeladen, mitzusegeln! Na klar, ich bin dabei!
Tja, das offizielle Wetter (www.weathersa.co.za) hört sich so an:
Expected Weather
National Warning - Issued on Saturday, 28 July 2007 at 16.00
Gale force north-westerly to westerly winds, accompanied by very rough seas with wave heights in excess of 5m are expected between Cape Point and East London.
Very cold conditions are expected over the highground of the Western and Northern Cape Provinces as well as southern Drakensberg, Lesotho and the north-eastern highground of the Eastern Cape. Conditions which may lead to the development and spread runaway fires are expected over Mpumalanga lowveld, Swaziland and KwaZulu-Natal.
Wusste ich aber nix von. Beim Rausschauen morgens bot sich mir dasselbe traurige Wetterbild wie tags zuvor: Dunkelgrau verhangener Himmel, hin und wieder kräftige Regenschauer, am Freitag sogar mit zwei Hagelschauern kombiniert... und jeder Schauer ist so, dass man selbst mit Regenjacke schnell zum nächsten Unterstand rennt, weil durch den Wind die Nässe gleich überall reinkriecht.
Letzte Woche war ich in Jeans segeln, und blieb trocken, heute ist das undenkbar: Entweder ich stelle mich aufs Nasswerden ein, oder ich muss in Segelkleidung investieren. "Investieren" ist da aber leider wörtlich gemeint, denn die Preise, die ich bei einem Segelladen-Besuch vor einigen Tagen gesehen hatte, sind heftig.
Ich begebe mich zu dem mir schon bekannten Segelladen im Zentrum. Dort gibt es alles für den Segelbedarf, was sich tragen lässt, von Leinen und Beschlägen bis zu Bord-Klos. Segel-Klamotten gibt es auch. (Ich hatte mir schon vor meinem ersten Segeln Handschuhe hier gekauft.) Ein freundlicher älterer Herr führt mich über eine kleine Stiege in den zweiten Stock, wo alles Bekleidungsartige versammelt ist, also Jacken, Hosen, Stiefel, Neoprenanzüge, Trapezhosen, usw. Bei den Stiefeln gibt es grade ein "Auslaufmodell" mit 40% Rabatt... meine Größe ist auch dabei, und da die eh so aussehen, wie die, die hier jeder zum Segeln hat (fast wie normale Gummistiefel, blau mit weißem Rand, nur die Sohle ist anders, nämlich glatt), entscheide ich mich schon mal dafür.
Jetzt kommt der schwierigere Teil, nämlich die Hose. Ich hatte Willie gefragt, ob er denkt, ich könnte von jemanden ne Hose leihen (vielleicht hat einer der anderen ne Zweithose?). Er aber meinte, dass das schwierig sein dürfte (weil der Trend doch nicht so zur Zweit(segel)hose geht...), sie mir dann eher nicht passen würde, es aber auf dem Boot ne "Plastikhose" zum Drüberziehen gäbe. Die wäre aber eben weder warm (war sie noch nie), aber auch nicht wasserdicht (weil schon ein bißchen verschlissen).
Also, schau ich mir die Hosen an. Ich lasse mir die budgetfreundlichste, aber doch noch taugliche Hose zeigen. Soll laut Preisschild ca. 140 Euro kosten. Es ist eigentlich etwas mehr als ne Hose, der "Bund" befindet sich nämlich knapp unter den Armen, und breite Hosenträger halten das Ding oben. Sieht nicht wirklich schick aus, soll aber in erster Linie funktionieren, nämlich Wasser draußen und Wärme drin halten. Ich zögere, denke dann ans Wetter und meinen Drang, heute zu segeln, und als ich dann noch 15% Rabatt bekomme (warum eigentlich?) gibts nicht mehr viel zu entscheiden: Wo ist die Kreditkarte? Los gehts!
Ich will grade den Laden verlassen, da ruft Keith an: Die Wetterbedingungen seien "on the borderline", er nimmt im Moment an, dass es keine Regatta gibt, könnte sich aber noch ändern. Ich soll aber doch wie verabredet um 13 Uhr am Boot sein. Wenn nicht segeln, dann gäbe es mindestens ein gemeinsames Bier. Mhm... na ja, jetzt hab ich die Hose schon bezahlt, und außerdem ist es ja wohl nicht das letzte Mal, dass ich die gebrauchen kann.
Am Yachtclub angekommen, muss ich mal ausnahmsweise nicht rennen: Es ist grade trocken. Nachdem ich mich in die Gästeliste eingetragen und den Wachmann passiert habe, kommt mir David (der Steuermann) grinsend entgegen: "The boys want to go!" Das Grinsen bedeutet wohl, dass er sich darauf freut...
Am Boot angekommen, begrüßen mich Keith, der andere David und Jeff (der Kanadier) und Harald (der deutsche Ingenieur). Ich führe meine neu erworbene Ausrüstung vor, und Keith bemerkt zustimmend, dass die Hose (bzw. die Marke) wohl die mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis sei. Wenn ich mir den Wind und die viertelstündig einfallenden Schauer so betrachte, war die Hose wohl die beste Entscheidung des Tages (bisher)...
Bei den Vorbereitungen aufs Ablegen fühle ich mich schon wesentlich geübter als beim letzten Mal: Großsegel vorbereiten (einfach gerefft), Vorsegel auspacken und anschlagen, Schoten dran... klappt schon ganz gut, und mit den Begriffen komme ich schon viel besser zurecht.
Keith eröffnet mir: "Christian, you'll do the foredeck today" fühle ich mich erneut bzgl. meines Hosenkaufs bestätigt: foredeck ist ganz vorn bei der Fock, und das wird heute mit Sicherheit der nasseste Platz oberhalb der Wasserlinie. Auf meine Frage "And who will join me?" folgt Schweigen ... und dann "Maybe Christian?" Mhmm, ich soll das also alleine machen? Na gut, danke für das Vertrauen.
Und schon geht's los. Raus aus dem Hafen, vorbei an einem riesigen Ölplattformschiff (sieht aus wie ne Kreuzung aus Ölplattform und Tankschiff) und einigen chinesischen Fischerbooten, die nur noch durch Rost und chinesische Schriftzeichen zusammengehalten scheinen. Außer uns sehe ich noch zwei andere Segelschiffe.
Als wir die Kaimauern hinter uns lassen, geht das Auf und Ab los. Die Wetterwarnung sprach von Wellen größer fünf Meter ... ich hab aber keine Ahnung, wie hoch die Wellen sind, durch die wir fahren: Jedenfalls verschwinden die anderen Segler oft komplett hinter dem Wellenberg, der sich vor uns aufbaut... (kann man auf den Bildern leider nicht so sehen:
Ich bin komplett begeistert: Kraftvoll düsen wir durch die Wellen, und die Naturgewalten toben sich aus. Die Arbeit auf dem Vorschiff ist erstaunlich locker, weil ich abgesehen vom Auftakeln nur noch einmal nach ganz vorne musste (das ist dann allerdings wirklich ne wacklige Angelegenheit...). Ich kann mich also Richtung Cockpit begeben, und mit dem jungen David zusammen die Fock bedienen. Das müssen wir auch ziemlich heftig, weil ... wir sind ja in ner Regatta! Den Start kriege ich kaum mit (läuft über Funk, und den hört nur Jeff gut, der im Kajütendurchgang steht, der gibt es dann weiter an Keith, Keith und David besprechen die beste Taktik, Startschuss (gibt's einen?) würde eh keiner hören).
Später lerne ich, dass ne Regatta nur ausgetragen wird, wenn mindestens vier Boote antreten. Später sehe ich, dass wir ungefähr sechs oder sieben Boote sind.
Die Fock bei dem Wind zu bedienen, ist echt ne Herausforderung: Das Winschen ist schwierig, weil die Schoten nass und das Deck rutschig sind, die Koordination ist auch nicht so leicht, weil wir eigentlich einer zu viel sind: Jeff ist kaum segelerfahren, und er steht oft in der Nähe des Cockpits, wenn es nicht grade heißt "weight up", was bedeutet, dass wir uns auf die hohe Kante (die Luvseite) zum Gewichtstrimm setzen sollen. Die Stimmung ist ganz anders als beim letzten Mal, sehr viel konzentrierter, und Kommandos werden oft geschrien: Nicht, weil wir nicht spuren, sondern weil wir uns anders nicht hören würden; und manche Dinge müssen einfach schnell gehen. Trotzdem bleiben Keith und David ihrer gewohnten, scherzenden Art treu.
Ach ja, Jeff: Er wird irgendwie immer ruhiger, steht bei Manövern ziemlich im Weg rum, und starrt öfter mal ausdruckslos auf irgendwas im oder am Boot. Als ich ihn mal von vorne sehe, ist klar, was los ist: So was Grünes hab ich noch selten gesehen! Der ist totaaal seekrank! Er tut mir echt leid, weil es für ihn ja erstmal kein Entkommen gibt: Wegen ner seekranken Landratte wird bestimmt keine Regatta-Teilnahme abgebrochen. Auf der anderen Seite bin ich heilfroh, dass mir das Geschaukle nichts anzuhaben scheint. Soweit ich das mitbekommen habe, hat Jeff alles bei sich behalten...
Der Start war, wie beim letzten Mal, ziemlich gut: Wir sind zusammen mit einem anderen die ersten. Nach einigen Minuten aber fallen wir zurück, schlicht, weil die meisten anderen Boote länger sind, und "Länge läuft" eben. (Wie der Segler sagt.)
Der Kurs geht erstmal westlich, quasi Richtung Argentinien, also aus der Bucht raus. Das bedeutet (siehe Sturmwarnung): Anstrengendes Kreuzen gegen den Westwind, bei jeder zweiten Welle ne Dusche inklusive. Ich riskiere ein paar Fotos (und weiß bis jetzt noch nicht, wie ich die salzwasserverkrustete Linse wieder sauberbekomme...).
Irgendwoher wissen Keith und David, wo die Boje ist, um die wir wenden müssen. (Vielleicht, weil die anderen vor uns da auch alle hinwollen?) Nach der Wende wird das Ganze wesentlich ruhiger: Mit achterlichem Wind geht es zu einer weiteren Wendemarke, kurz vor Milnerton, also in der Bucht. Eigentlich (das weiß ich noch vom FD-Segeln...) könnte man jetzt nen Spinnaker aufziehen oder zumindest mit dem Spi-Baum die Fock ausstellen. Keith denkt kurz drüber nach, aber dann verwirft er beides: In beiden Fällen müsste jemand nach vorne (also, eigentlich ich!), aber bei dem Kurs und dem Wind nur mit "Harness", also nem Gurt, mit dem man sich am Boot festschnallen kann. Sowas hab ich noch nie gemacht. Außerdem hab ich den Spi-Baum auf diesem Boot auch noch nie benutzt... wer könnte es noch? Jeff ist seekrank, Harald fährt das Großsegel (und hat keine Lust, nach vorne zu gehen), Keith hat nichtmal seine Stiefel an, sondern nur Strassenschuhe (weil er ohnehin nur im Cockpit bleiben wollte), der andere David hats auch noch nie gemacht... Auch gut, Sicherheit geht vor, auch wenn es ein bißchen Geschwindigkeit kostet.
Auf dem Weg zur Tonne begegnen wir einem dieser chinesischen Fischkutter. Warum die hier sind, hab ich noch nicht kapiert. Ich weiß nicht, bei wem es mehr schaukelt, bei denen oder bei uns?
Als wir die Ziellinie passiert haben, tritt allgemein Entspannung ein. Sobald wir ein bißchen in der Hafeneinfahrt drin sind und die Wellen schwächer sind, holen wir die Segel runter und begeben uns auf direktem Weg in den Hafen. Ich nehme an, dass mindestens Jeff das ganz gut findet.
Nachdem das Boot klargemacht ist, begebe ich mich mit wackligen Knien (warum eigentlich wacklig?) ins Clubhaus an die Bar. Erstmal ein Bier für alle. Fühlt sich an, als hätten wir uns das verdient. Harald stellt mir einen Portugiesen vor, der wohl supergut segelt, und irgendwas mit dem Shosholoza-Team zu tun haben soll. Und er zeigt mir das Boot von David (dem Steuermann)! Das ist 45 Fuß groß und sieht richtig schick aus! Als Harald ihn fragt, wie oft er schon über den Atlantik sei, ist die Antwort "in the thirties" (also zwischen dreißig und vierzig Mal)! War wohl mal sein Zweitjob, Bootsüberführungen zu machen.
Ne halbe Stunde später kommt auch Jeff, nachdem er sich wohl doch des Mageninhalts entledigt hat, lange unter der heißen Dusche stand, und jetzt wieder normal-gefärbt im Gesicht ist.
Kurz vor dem allgemeinen Aufbruch erklärt Keith die nächsten Segel-Aktivitäten: Die nächsten Wochenenden ist (leider!) keine Samstags-Regatta mehr, erst wieder Mitte September. Anfang September ist aber ein Kapstadt-Mosselbay-Race, an dem Keith teilnehmen wird mit einer noch nicht ganz festgelegten Crew: Da ich Anfang September ja wieder in Deutschland bin, kann ich gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen, als Keith fragt, ob ich mitkommen will. Ich erkläre ihm unsere Pläne, und er lässt sich von mir bestätigen, dass ich mich melde, sobald wir alle hier sind. Worauf Du Dich verlassen kannst ;-))